Warum sich Umwege machen lohnt - mein FSJ Kultur

25. April 2018



Eigentlich war da ein Plan, eine klare Vorstellung von dem, was ich nach der Schule einmal machen möchte. Irgendwann in der 9.Klasse zwischen Matheaufgabe und Sozialpraktikum im Ausbildungsratgeber gefunden und als fertig abgestempelt. Entscheidung getroffen. Abgelegt und nicht mehr überdacht. Archiviert - eingestaubt. Dann in der 12.Klasse war sie plötzlich wieder da, diese Frage nach der Zukunft. Und zum ersten Mal wurde der Gedanke an ein Leben nach der Schule greifbar für mich. Mit ihm die Zweifel.
Jahrelang habe ich mich in Sicherheit gewogen, denn ich wusste ja schon was ich werden will. Das mir keines der drei Praktika, die ich mir so hart erkämpft habe, wirklich Spaß gemacht hat, habe ich wohl irgendwie verdrängt, schöngeredet. Am meisten mir selbst. So oder so, ein neuer Plan musste her. Das Projekt Traumberuf gestaltete sich zunehmend schwerer und die Frage " und was machst du nach dem Abi?" wurde immer unangenehmer. Das die Antwort "ich suche noch" wahlweise mit hochgezogenen Augenbrauen oder aufmunternden Worten beantwortet wurde, hat dieses Gefühl keinesfalls verbessert. Der erste Schritt war jetzt zwar getan - ich habe meinen Traumberuf gefunden, dieses Ziel jetzt aber zu erreichen war nocheinmal eine ganz andere Hürde. Wenn ich mir aber einmal etwas in den Kopf setzte, dann arbeite ich so lange daran bis ich das gewünschte Ergebnis erzielt habe.
In diesem Fall hieß das einen kleinen Umweg zu machen und mich vom vorzeige Lebenslauf "Schule-Ausbildung-Job" zu lösen.



Ein letztes Mal kramte ich also die Unterlagen vom Arbeitsamt hervor und zwar diesmal die dicke Broschüre mit der Aufschrift "Überbrückungsmöglichkeiten". Lückenfüller. Jenes Heft, das ich nur aus Höflichkeit beim Beratungstag mitgenommen habe. Nach kurzem Hin und her blieb ich schließlich beim FSJ Kultur hängen. Freiwillig soziales Jahr im kulturellen Bereich. Freiwilligenarbeit. Naja warum eigentlich nicht. So oder so ähnlich fand ich mich an einem unerträglich heißen Sommertag im Juli im stickigen Rektorat einer Münchner Grundschule wieder. Da war es plötzlich. Dieses Gefühl, auf das ich so lange gewartet habe, dieses "ja, das könnte klappen"-Gefühl. Zwei Tage später der Anruf und ein erstes Aufatmen.



Wenigstens für ein Jahr gesichert und genug Zeit mein Projekt Traumausbildung in Angriff zu nehmen. Was ich damals noch nicht wusste: dieses Jahr wird alles Mögliche, aber auf keinen Fall nur ein Lückenfüller. Noch immer kann ich es nicht greifen, was ich in diesem Jahr alles erleben durfte. Was für unglaublich inspirierende, liebenswerte Menschen ich in meiner Seminargruppe kennenlernen durfte. Menschen die ich heute Freunde nenne, deren Meinung mir immer viel bedeutet, die mich in so Vielem ermutigt haben, nicht zuletzt dem Hirngespinst dieses Blogs hinterherzujagen. Was für eine Herzlichkeit und Wärme mir entgegen gebracht wurde, auch in der Einsatzstelle. Wie viele Lachfalten die Kinder mir ins Gesicht gezaubert haben und wie viele Geschichten geschrieben wurden die ich immer und immer wieder gerne erzähle.



Aber auch die Grenzen an die ich so oft gekommen bin bei meiner Arbeit in der Einsatzstelle und wie sehr ich dadurch wachsen konnte. Wie stolz ich bin, so Vieles gemeistert zu haben, Dinge die ich mir vor diesem Jahr niemals zugetraut hätte. Herrausfinden was ich will und was ich kann. Und dann: Juli. Schon wieder Juli. Wie kann das sein? Es kam mir vor wie gestern als ich zwischen 100 aufgeregten Erstklässlern auf dem Pausenhof stand und wir unsere Wunschluftballons steigen ließen. Aber doch auch wie eine Ewigkeit, mein Alltag und irgendwie nicht mehr weg zu denken. Goldenes Abendlicht, die heimlichen Tränen in der S-Bahn weil ich noch nicht gehen wollte und die unverhaltenen Abschiedstränen als ich schließlich musste. Dieses Jahr ging so unheimlich schnell vorbei und hat meine ganze bisherige Sichtweise auf den Kopf gestellt. Und jetzt kann ich aus voller Überzeugung sagen, dass dieses Jahr der wohl beste Umweg war den ich je gegangen bin. Abenteuerroute.




Vielleicht ist auch der ein oder andere von euch gerade in einer ähnlichen Situation. Ziellos zwischen Prüfungsstress und Zukunftsangst und ich kann euch mit meiner Erfahrung ein bisschen Mut machen.

Janiek hat gesagt…

Ahh those pictures 😍 + true story!

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